Die Illusion Des Egos
Dass der Kern des menschlichen Wesens „Geist“ ist (man kann auch „Bewusstsein“ oder „Leere“ sagen), wussten bereits Menschen, die 1500 Jahre v. Chr. lebten, welche diese Erkenntnis in ihren Liedern und Gesängen, namens den „Veden“ offenbarten. (Wikipedia)
Später dann, ab dem 5. Jahrhundert v. Chr., konnte man diese Überzeugungen und Denkweisen in den mittlerweile größten Religionen, wie dem Buddhismus, Jainismus, Hinduismus entnehmen. Das Christentum selbst hat es sich selbstverständlich auch auf die Fahne geschrieben, dies zu verkünden:
"Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch selbst, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer selbst?"
Korinther, 6, 19.
"Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme.“
Johannes 18, 37.
Welche Wahrheit meinte Jesus, als er diese Worte zu Pontius Pilatus sprach?
Jesus wusste, dass es nicht die eine Wahrheit gibt, daher bezog er diese Worte vermutlich auf die Quelle des Menschen, die weder sein Körper, noch seine Vergangenheit, Emotionen, Gedanken und Gefühle sind. Auch ist der Mensch nicht die verschiedenen Rollen, die er in verschiedenen Situationen seines Lebens einnimmt.
Schließlich verhalten wir uns bei geschäftlichen Angelegenheiten anders, wie unter den engsten Freunden. Im Gespräch mit dem Partner anders, als im Gespräch mit einem fremden Menschen.
Ebenso ist die Quelle nicht der Körper, welches den Menschen am stärksten daran hindert, ein unabhängiges, glückliches und zu guter Letzt ein wahrlich schönes Leben zu leben.
Alle hier aufgezählten Attribute zählen hingegen zu dem Ich bzw. dem Ego (Ich/Ego = zu glauben, ein Individuum zu sein), mit dem sich der Mensch gewöhnlich während seines gesamten Lebens identifiziert.
Sorgen, Ängste, Zweifel, Wut, Misstrauen, Wünsche (wie dem nach Anerkennung), und Stolz gehören gleichermaßen zum Verständnis des „Ich´s“ und verschwinden – wenn man sich „seines Selbst“ bewusst wurde, genauso schnell bzw. langsam, wie man sich diese angeeignet hat.
Die Vorteile, die sich daraus ergeben, mit diesen Eigenschaften zu Leben, sich damit aber nicht mehr zu identifizieren, kann ich hier nicht mal eben kurz erwähnen.
Eins wollen wir uns jedoch gleich vornehmen.
Allerdings kannst du es dir auch zur Aufgabe machen, dir in den nächsten Tagen einfach mal vorzustellen, wie dein Leben in Zukunft verlaufen könnte, ohne, dass dich diese Merkmale weiterhin beeinflussen. Stell dir dann einfach vor, Gedanken, in Form von Zweifeln oder Wünschen kommen und gehen, wie es bisher immer war, nur bleibst du weiterhin gelassen. Ruhst in deiner Mitte. Lässt dich davon einfach nicht mehr abbringen.
Du beobachtest, wie sie kommen und du beobachtest, wie sie gehen.
In Wirklichkeit hast du nichts damit zu tun.
Schaffst du es, von morgens bis abends die Rolle des Beobachtest einzunehmen, kannst du nichts mehr Größeres in deinem Leben erreichen.
Das bedeutet, als Bewusstsein durch seinen Alltag zu schreiten, während man anfängt, die wahre Schönheit des Lebens zu kosten.
Eine andere Aufgabe besteht darin, dich in einem Moment der Ruhe, in dem du all deine Sinne auf dich richtest und von Äußerlichkeiten abziehst, in dein Innerstes zu begeben.
Besser gesagt, auf eine Reise in dein tiefstes Innerstes, in der du auf die Suche nach deinem Ego gehst. Versuche dann, dein Ich (bzw. Ego) zu finden und lass dir ruhig viel Zeit dabei. Solltest du es jemals finden, lass es mich bitte wissen.
Jetzt stellen wir uns einmal vor, es gäbe nur den Stoff Baumwolle, aus dem gewöhnliche Hemden hergestellt werden.
Wenn wir nun in ein Secondhand-Geschäft gehen, um uns ein Hemd zu kaufen, sehen wir dort viele verschiedene Exemplare. Sie unterscheiden sich in Farbe, Größe, Form und Herstellungszeitpunkt und sind mit unterschiedlichen Mustern und Logos verziert.
Das, was alle Hemden jedoch verbindet, ist die Baumwolle.
Wenden wir diesen Vergleich auf den Menschen an, hieße das, dass das fertige Hemd, der menschliche Körper wäre.
Körper unterscheiden sich bekanntlich auch in Größe, Form und Farbe.
Der Herstellungszeitpunkt des Hemdes wäre das Alter, die unterschiedlichen Muster wären die Charakter- und Persönlichkeitseigenschaften eines einzelnen Menschen und die Logos stünden für die Namen.
Die Essenz, oder auch Quelle, Kern, Substanz, Wesen, Stoff jedes Hemdes ist jedoch die Baumwolle. Und so, wie die Essenz der Hemden Baumwolle ist, ist Bewusstsein die Essenz des Menschen.
Der Mensch glaubt aber, all die soeben genannten Merkmale und Eigenschaften selbst zu sein. Daher identifiziert er sich auch mit ihnen!
Und wenn er dann mal wieder „Ich“ sagt oder schreibt (was manch einem nicht möglich ist, ohne dass einige Stunden vergangen) glaubt er in dem Moment, all das zu sein, was ihn dermaßen in seinem Können und Potenzial, in seiner Stärke und Entwicklung beschränkt, dass man sich fragt, wie es denn eigentlich sein kann, dass dieses Wissen nicht in der Schule vermittelt wird.
Noch schlimmer steht es um diejenigen, die sich mit Clubs oder Vereinen identifizieren, indem sie nach einem Sieg oder einer Niederlage ihres Favoriten tatsächlichen behaupten, „sie selbst“ hätten gewonnen oder verloren.
Ein nachstehendes Gedicht von Ralph Waldo Emerson trägt den Titel „Maya“.
Der Täuschung Werk ist undurchdringlich,
Die Netze, die sie webt, sind zahllos,
Unerschöpflich ihre heiteren Bilder,
Die Schleier über Schleier häufen.
Ihrem Zauber verfallen alle,
die danach dürsten getäuscht zu werden.
In diesem Fall stammt das Wort „Maya“ aus dem Sanskrit und bedeutet „Illusion“.
Es ist die Illusion des Ich´s, in der der Mensch für gewöhnlich lebt und von der hier die Rede ist. (Maya Wikipedia)
Wenden wir uns nun dem vorhin angesprochenen Vorteil zu, der verdeutlichen soll, wie sehr eine Neuausrichtung des Lebens Sinn ergibt, in der man das hinterfragt, was man seit der Kindheit normalerweise sonst unreflektiert übernimmt.
Wie zum Beispiel unsere mentalen Grenzen, die durch Beobachtungen unserer Mitmenschen, wie den Eltern, Lehrern, Freunden, Schulkameraden, in der Universität der Kommilitonen, im Berufsleben den Arbeitskollegen, dem Partner usw. und den daraus resultierenden eigenen Erfahrungen entstehen.
Apropos Erfahrungen – die gehören übrigens genausozum „Ich“ wie mentale Grenzen.
Mentale Grenzen, die in der Regel eng bis sehr eng sind, sind also das Ergebnis unserer gesamten Laufbahn, die wir – wenn wir uns nicht bemühen in spiritueller Hinsicht zu wachsen – dann ebenfalls als ein Teil unseres „Ich´s“ annehmen und uns mit ihnen identifizieren.
Wen wundert’s da, dass es so viele Menschen auf der Welt gibt, die unglücklich sind, weil sie unter anderem Jobs haben, wie LKW-Fahrer; Kurier; Fastfood, Tankstellen und andere Verkäufer, Fließbandarbeiter; Putzkraft oder ähnliche Berufe, für die man seinen Geist bloß minimal am ersten Arbeitstag einsetzen muss, um sich den Arbeitsprozess anzueignen.
Theoretisch sind wir aber in der Lage, Aufgaben zu bewältigen, die uns aktuell nicht einmal in den Sinn kommen würden, da unser Potenzial wissenschaftlich bewiesen weit über dem liegt, mit dem wir uns identifizieren.
Die Lösung liegt also auch hier in der Nicht-Identifikation mit unseren derzeitigen mentalen Grenzen, einschließlich des Potenzials.
Welche Tür soll denn noch versperrt bleiben, wenn wir es schaffen, diese Information zu einer Erkenntnis zu machen? Welches Ziel unerreichbar? Welche Steine, die derzeit im Weg liegen, blieben Hindernisse? So oft wir in der Vergangenheit den Spruch „Alles ist möglich“ auch gehört haben, wussten wir vermutlich nichts damit anzufangen. Bis zu diesem Moment.
Ein Moment, in dem uns bloß noch an einem Ort der Ruhe in den Lotossitz begeben können, vielleicht dazu den Duft des Sandelholzes hinauslassen, ein paar Mal tief Ein- und Ausatmen, uns dann vergegenwärtigen, wer wir wirklich sind und den Rest einfach dem Leben überlassen.
Abschließend kann ich dir sagen, dass ich, der den Namen Oleg Klutschko trägt, 33 Jahre lang die Erfahrung machte, mich mit allen vorhin erwähnten Eigenschaften und Attributen, kurz gefasst: mich mit meinem Ego zu identifizieren.
Während ich diese Worte schreibe, kann ich dir allerdings nicht annähernd beschreiben, welche Dankbarkeit durch mich durch strömt, wenn ich an den Augenblick denke, an dem ich Erkennen durfte.
Du hast ebenso die Wahl.
- Die Wahl zwischen Ego und Freiheit.
- Zwischen Misserfolg und Erfolg.
- Zwischen Leid und einem wirklich glücklichen Leben.
Zum Schluss möchte ich dir noch Folgendes mitteilen:
Das, was hier beschrieben steht und was viele Gelehrten (damals unter anderem Siddhartha Gautama (Buddha)) seit Tausenden von Jahren lehren bzw. lehrten, ist im Grunde bloß eine Lebenseinstellung, die es dem Menschen ermöglicht, ein schöneres oder auch glücklicheres Leben zu führen.
Es kommt viel weniger darauf an, ob das „die Wahrheit“ ist, sondern viel mehr darauf, welche Wirkung eine bestimmte Lebensweise hat.
Die Perspektive / Weltanschauung ist für unser Leben nämlich von Bedeutung, denn unsere Lebensumstände sind das Ergebnis unserer vielen verschiedenen Perspektiven, bzw. der allgemeinen Weltsicht. Wenn wir demnach eine Veränderung unserer Lebensumstände wünschen, müssen wir nur unsere Perspektive bzw. Weltsicht verändern.
„Ein gewisses Maß an intellektuellem Verständnis ist weder ungewöhnlich noch schwer zu erwerben, zumindest relativ gesehen, aber nur ein sehr kleiner Bruchteil derer, die dieses intellektuelle Verständnis besitzen, erreichen jemals die Totalität des eigentlichen Verstehens, was letztlich das ist, was sie sind. Der Grund ist, dass sie nicht die absolute Vernichtung dessen akzeptieren können, was sie ihrer Konditionierung entsprechend für ihre Identität halten, dass dies nur eine Erscheinung ist, völlig ohne eigenes Wesen oder Eigenständigkeit, wie eine Traumgestalt geträumte Erscheinung, ein Schatten, eine Reflexion und in keiner Weise eine Entität.“
(Wei Wu Wei aus in einem seiner letzten Werke: Der zehnte Mann)